Was ist Speculatives Design?

Das Ziel von Speculativem Design ist es,
einen kritischen Diskurs über Normen und Werte anzustoßen:

- Zukünftige Szenarien als Utopien oder Dystopien zu diskutieren,
- die Gesellschaft als eine mögliche Zukunft mitzugestalten,
- Produkte, Dienstleistungen oder gesellschaftliche Aspekte zu entwickeln.

Der Begriff Design beschränkt sich nicht auf eine Gestaltungdisziplin in Sinne von Produkt-, Interior- oder Grafikdesign. Es schließt viel mehr die gesellschaftliche Form der Gestaltung von Lebensbereichen mit ein und ist breiter zu denken.

Der Begriff Speculative Design beschreibt ein Mittel oder Instrument, wie Dinge sein könnten. Dabei handelt es sich nicht um das Lösen von Problemen, sondern um die Möglichkeit, uns mit unseren Werten, Überzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Mit qualitativen Forschungsmethoden, wie dem Speculativen Design, wird die übergeordnete Frage „Was wäre wenn” in die Aussage „Wie die Dinge sein könnten” gewandelt. Hierbei handelt es sich um einen antizipativen Prozess. Zamenopoulos und Alexiou meinen dazu: „The notion of anticipation is closely linked to the notion of design as it relates to the construction of future realities”. Dieser Prozess kann Aufschluss über das Erleben möglicher Zukünfte in der Gegenwart geben.

Dabei geht es nicht primär um das Jetzt, sondern um mögliche Zukunftsvorstellungen, die auf der Gegenwart bzw. auf der Vergangenheit beruhen. Zukunftsvorstellungen unterscheiden sich von der Zukunftsforschung dadurch, dass keine Daten gesammelt werden, um Vorhersagen, Trends oder abstrakte Möglichkeiten zu erstellen. Diese Vorstellungen versuchen, zukünftige Visionen zu kreieren, die auf dem Jetzt basieren, inklusive Unsicherheiten und Komplexität. Im „Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschland” heißt es: „Wenn wir die Zukunftsvorstellungen von Menschen kennen, wissen wir etwas über ihre Gegenwart”. Oder, wie Jürgen Habermas festhielt: „Die kommunikativ Handelnden bewegen sich stets innerhalb des Horizonts ihrer Lebenswelt; aus ihm können sie nicht heraustreten.“

Da Menschen Schwierigkeiten habe, sich Zukünfte vorzustellen,

die nicht die aktuellen ideologischen Trends reproduzieren oder die Kontrolle und Macht abtreten (Markham), wurden einige qualitative Methoden geschaffen wurden, um diese Schwierigkeiten zu durchbrechen. Zukunftsvorstellungen bauen auf dem gegenwärtigen Moment auf, welcher wiederum durch die Vergangenheit geprägt ist; diese Zukunftsvorstellungen geben zudem wertvolle Rückschlüsse auf die momentanen Umstände.

Der Begriff Spekulatives Design,

das durch die Designer Anthony Dunne und Fiona Raby 2013 in ihrem Buch „Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming”, eine Art Gründungsmanifest, beschrieben wird, meint ein Mittel oder Instrument, wie Dinge sein könnten - als ein Gedankenexperiment -  um für einen Moment aus der Gegenwart herauszutreten um etwas auszuprobieren.

Mit Spekulativem Design wird also das Jetzt von einer anderen Perspektive betrachtet. So besteht das „…Imaginäre nicht aus einer Reihe von Ideen; vielmehr ermöglicht es, durch Sinngebung, das Verständnis der Praktiken einer Gesellschaft” zu beleuchten. Die Auseinandersetzung mit Herausforderungen und Chancen in der Zukunft bietet einen Einblick, dass das noch nicht Entstandene gestaltet werden kann. Nach Candy Stuart ist dies mit der Fähigkeit zur Antizipation möglich. Das Potenzial des spekulativen Designs sehen Barendregt und Vaage„darin, eine kritische Diskussion und ein öffentliches Engagement für Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft” zu fördern. Beim spekulativen Design geht es nicht um Lösungen von Problemen, sondern um die Möglichkeit, uns mit unseren Werten, Überzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen und sie zu ändern. Dabei können auch Produkte und Dienstleistungen verändert werden.

Spiele

sind ein mögliches Werkzeug, um alternative Gegenwart und spekulative Zukünfte zu erdenken und bieten die Möglichkeit die „Was wäre wenn” Frage in einem Raum zu stellen, in dem es kein richtig oder falsch gibt und alle Möglichkeiten erlaubt sind.

Das Kartenspiel „The Thing from the Future” wurde 2014 von Stuart Candy, Autor, Futurist und Designprofessor an der Carnegie Mellon University, und Jeff Wattson, Professor für Spiele an der School of Cinematic Arts der University of Southern California, in der von ihnen gegründeten  Forschungseinrichtung Situation Lab, entwickelt, mit der Intention dieses Vorausschauwerkzeug bzw. diese Fantasie-Übung als Instrument des spekulativen Designs zu gestalten. Teils „Szenariogenerator, teils Designmethode und Partyspiel” sind die Spieler dazu aufgefordert, sich Dinge zu überlegen, die in einer Zukunft sein können, sie sollen „zusammenzuarbeiten und (…) konkurrieren, um Artefakte zu beschreiben, Geschichten darüber zu erzählen und Skizzen oder physische Prototypen von Dingen zu erstellen, die in alternativen Zukunftsvisionen existieren könnten”.

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The aim of speculative design is to  initiate a critical discourse on norms and values:

- Discussing future scenarios as utopias or dystopias,
- Helping to shape society as a possible future,
- Developing products, services or social aspects.

The term design is not limited to a design discipline in the sense of product, interior or graphic design. Rather, it includes the social form of designing areas of life and should be thought of in broader terms.

The term speculative design describes a means or instrument of how things could be. This is not about solving problems, but about the opportunity to examine our values, beliefs, attitudes and behaviours. Qualitative research methods such as speculative design transform the overarching question ‘What if?’ into the statement ‘How things could be’. This is an anticipatory process. Zamenopoulos and Alexiou say: ‘The notion of anticipation is closely linked to the notion of design as it relates to the construction of future realities’. This process can provide insight into the experience of possible futures in the present.

This is not primarily about the present, but about possible visions of the future based on the present or the past. Visions of the future differ from futurology in that no data is collected to make predictions, identify trends or create abstract possibilities. These visions attempt to create future scenarios based on the present, including uncertainties and complexities. The ‘Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschland’ (Concise Dictionary of German Society) states: ‘When we know people’s visions of the future, we know something about their present’ (Hondrich). Or, as Jürgen Habermas noted: ‘Those who communicate always move within the horizon of their lifeworld; they cannot step outside it.’

Since people have difficulty imagining futures that do not reproduce current ideological trends or relinquish control and power (Markham), a number of qualitative methods have been developed to overcome these difficulties. Visions of the future are based on the present moment, which in turn is shaped by the past; these visions of the future also provide valuable insights into current circumstances.

The term speculative design,

described by designers Anthony Dunne and Fiona Raby in their 2013 book Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming, a kind of founding manifesto, refers to a means or instrument of how things could be – as a thought experiment –  in order to step out of the present for a moment and try something new.

Speculative design thus views the present from a different perspective. In this way, the ‘imaginary does not consist of a series of ideas; rather, it enables us to shed light on the practices of a society by giving them meaning’. Examining the challenges and opportunities of the future offers insight into how things that do not yet exist can be shaped. According to Candy Stuart, this is possible with the ability to anticipate. Barendregt and Vaage see the potential of speculative design in promoting ‘critical discussion and public engagement with science, technology and society’. Speculative design is not about solving problems, but about the opportunity to examine and change our values, beliefs, attitudes and behaviours. Products and services can also be changed in the process.

Games

are a potential tool for imagining alternative presents and speculative futures, offering the opportunity to ask ‘what if’ questions in a space where there is no right or wrong and all possibilities are permitted.

The card game ‘The Thing from the Future’ was created in 2014 by Stuart Candy, author, futurist and design professor at Carnegie Mellon University, and Jeff Wattson, professor of games at the School of Cinematic Arts at the University of Southern California, in the research facility they founded, Situation Lab, with the intention of designing this foresight tool or fantasy exercise as an instrument of speculative design. Part ‘scenario generator, part design method and party game’, players are asked to think about things that might exist in the future, to ‘work together and (...) compete to describe artefacts, tell stories about them and create sketches or physical prototypes of things that might exist in alternative visions of the future’.

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Fancy a game?

Referenzen/References:
Barendregt, L., & Vaage, N. S. (2021). Speculative Design as Thought Experiment. She Ji, 7, 374–402.
Candy, S. (2018). Gaming Futures Literacy. The Thing from the Future. Transforming the Future. Anticipation in the 21st Century, 233–246. Routledge - UNESCO Co-publication.
Coulton, P., Burnett, D., & Gradinar, A. (2016). Games as Speculative Design: Allowing Players to Consider Alternate Presents and Plausible Feature. Future Focused Thinking - DRS International Conference 2016, 1608–1625. doi.org/10.21606/ drs.2016.15
Dunne, A., & Raby, F. (2013). Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming (1. Auflage). The MIT Press.
Habermas, J. (1995). Theorie des kommunikativen Handelns. Band II: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Suhrkamp
Hondrich, K.O. (2001). Zukunftsvorstellungen. Schäfers, B., Zapf, W. (Hrsg.) Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. VS Verlag für Sozialwissenschaften. doi.org/10.1007/978-3-322-94976-9_69
Jarke, J., & Manchester, H. (2025). Datafied ageing futures: Regimes of anticipation and participatory futuring. Big Data & Society, 12(1). doi.org/10.1177/20539517241306363
Johannessen, L. K., Keitsch, M. M., & Pettersen, I. N. (2019). Speculative and Critical Design—Features, Methods, and Practices. Proceedings of the 22nd International Conference on Engineering Design (ICED19, 1623–1631. doi.org/10.1017/dsi.2019.168
Kincsö, I., Apolline, T., Kreutzer, S., Strähle, T., Roche, C., Moretto, M., Sorensen, S. Y., Hartung, M., Knaving, K., Johansson, M. A., Ericsson, M., & Tomchak, D. (2022). Opportunities and Challenges of Artificial Intelligence Technologies for the Cultural and Creative Sectors. SMART 2019/0024. Publications Office of the European Union.
Markham, A. (2021, Februar 1). The Limits of the Imaginary: Challenges to Intervening in Future Speculations of Memory, Data, and Algorithms. New Media & Society, 23(Nr. 2), 382–405.
Sardar, Z. (2010). The Namesake: Futures; futures studies; futurology; futuristic; foresight—What’s in a name? Elsevier, Futures 42, 177–184.